Der Fragmentenstreit
Professor Reimarus, Lehrer für orientalische Sprachen in Hamburg (1694 - 1768)
Lessing findet in seiner Eigenschaft als Bibliothekar "unveröffentlichte" theologische Schriften
Reimarus wendet sich gegen die orthodoxe - protestantische Auslegung der Bibel im Sinne eines aufklärenden Deismus.
Verwerfung des christl. Dogmas: Bibel ist die Offenbarung des göttl. Willens, sondern sie ist von Menschen geschriebenes Werk und daher auch Gegenstand der Vernunftskritik ⇒ Wunder und Heilsgeschichte Jesu dienen nur zur unnötigen Mystifizierung.
Lessing schließt sich teilweise diesen Gedanken an und veröffentlicht sie unter dem Titel "Fragmente eines Unbekannten" und versieht diese Artikel häufig mit Erklärungen und Nachwort.
Dort heißt es:
Kurz: der Buchstabe ist nicht der Geist und die Bibel ist nicht die Religion. Folglich sind Einwürfe gegen den Buchstaben und gegen die Bibel nicht eben auch Einwürfe gegen den Geist und die Religion, denn die Bibel enthält offenbar als zur Religion gehöriges und es ist bloße Hypothese, daß sie in diesem gleich unfehlbar sein müsse, auch war die Religion ehe die Bibel war. Das Christentum war, ehe Evangelisten und Apostel geschrieben hatten.
Pastor Goeze, orthodoxer Theologie zu Hamburg, sieht Lessing als Gefahr für die Religion: 17. Juli 1778 erhält Lessing Druckverbot für theolog. Schriften.
positive Religion
Lessing
natürliche Religion
theistisches Weltbild
Offenbarungsglaube
Schrift, Gleichnisse, Wunder u.s.w. sind nicht anzuzweifelbare Wahrheiten, Dogmen
Absoluter Anspruch: Glaubenswahrheit gleich historische Wahrheit
⇒Orthodoxie
Tendenzen Lessing'scher Vorstellung:
Unabhängigkeit des religiösen Empfindens von äußeren Zeugnissen
gegen jeden Absolutheitsanspruch
Erkenntnis Gottes durch die Vernunft
Orthopraxie:das Gute und des Guten Willen (s.u. § 85)
Pantheistische Vorstellung, kein Glaube an einen persönlichen Gott, aber auch Relativierung Allgemeingültigkeit der Vernunft
Vorsehungsglaube
Einbindung der menschlichen Freiheit in göttlichen Zusammenhang
deistisches Weltbild
Vernunftsglaube
alles was der Vernunft widerspricht wird abgelehnt
Erkenntnis Gottes resultiert aus der Schöpfung
Glaubenswahrheit gleich Vernunftswahrheit
⇒Aufklärung
Vgl. Lessing, Die Erziehung des Menschengeschlechtes, § 85 :
Nein, sie wird kommen, die Zeit der Vollendung. Da der Mensch, je überzeugter sein Verstand, einer immer bessere Zukunft sich fühlet, von dieser Zukunft gleichwohl Bewegungsgründe zu seinen Handlungen zu erborgen nicht nötig haben wird, da er das Gute tun wird weil es das Gute ist.
Vgl. zu § 85: Kategorischer Imparativ von Kant:
Handle immer so, daß die Maxime deiner Handlung zur Grundlage eines allgemeingültigen Gesetz werden kann.