Interpretation politischer Lyrik
muss davon ausgehen, dass politische Gedichte etwas bewirken wollen. Deshalb spielt die appellative Funktion der Sprache eine dominierende Rolle, und es gilt, neben den ästhetischen Aspekten vor allem die Kommunikationssituation genau zu betrachten: Die Beziehungen zwischen der historischen Lage, der Absicht des Autors bei der Wahl des Gegenstandes (Themas) und der angestrebten Wirkung sind durch gezielte Fragen zu erschließen: Nach der sog. Lasswell-Formel (benannt nach dem Politologen Lasswell) gilt Folgendes: "A convenient way to describe an act of communication is to answer the following questions: Who says what in which channel to whom with what effect?" Dies bedeutet im Einzelnen:
Fragen an politische Gedichte:
Wer ist der Sprecher und wer ist der gemeinte Adressat?
In welcher historischen und politischen Situation befinden sich Sprecher und Adressat?
Auf welche gesellschaftliche und politische Situation nimmt das Gedicht explizit oder implizit Bezug?
Auf welche Weise und an welchem Ort wendet sich der Sprecher an die Leser?
Welches Thema behandelt das Gedicht?
Welche tatsächliche oder vermeintliche Einstellung hat der Sprecher zum Thema?
Welche Einstellung wird beim aktuellen Leser vorausgesetzt bzw. angestrebt?
Welcher Ausdrucks- und Gestaltungsmittel bedient sich der Autor? Sind es eher Formen des direkten Sprechens (des Aufrufs, der Kritik etc.) oder des indirektenSagens (z. B. durch Arten der Ironie, Satire, Karikatur).
Beobachtungsraster zur Forminterpretation
Sprechsituation, Absicht, Wirkung:
Anrede, Wir-Form, Ich-Form, Rollengedicht
Weckung bzw. Verstärkung von Gefühlen
Aufforderung zu Kritik und Handeln (direkt oder indirekt)
Angriff, Spott, Satire, Ironie
Sprache und Klangbild
Wortschatz: emotional oder argumentativ-rational
Sprach und Stilebene: Umgangssprache oder poetische Sprache?
Syntax (Aussage-, Frage-, Ausrufesatz; Parataxe, Hypotaxe; Ellipse)
Bildlichkeit: (Metapher, Vergleich, Symbolik)
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