Chandos-Brief

Zusammenfassung des „Chandos-Brief` von Jan-Birger Kirchhoff

Lieber Herr Francis Bacon,

ich schreibe Ihnen diesen Brief, um mich für meine literarische Schaffenskrise, die nun schon zwei Jahre andauert, zu entschuldigen und Ihnen die Gründe dafür darzulegen. Ich kann es nicht begreifen, aber ich empfinde ein Misstrauen gegenüber meinen eigenen Worten, die nicht richtig ausdrücken können, was ich wirklich denke.

Durch Ihren Brief, den Sie mir haben zukommen lassen, haben Sie mich an allerlei Pläne und Ideen erinnert, die in mir schlummern, die aber mit allen rethorischen Kunststücken nicht wiedergebbar sind. Dazu benötige ich eine gewisse „innere Form”, nach der ich suche. Sie müssen sich das so vorstellen, ich sehe einen Gegenstand vor mir und empfinde ein unsagbare Gefühl, das ich aber nicht in Worte fassen kann. Alle irdischen Begriffe sind nicht fähig dies zu tun. Und es kommt sogar noch schlimmer, denn durch meine Krise habe ich auch die Fähigkeit verloren über irgendetwas zusammenhängend zu denken oder zu sprechen. Alles erscheint mir unglaubwürdig und lügenhaft. Seitdem flüchte ich oft ins Freie. Dort draußen begegnet mein Auge den unterschiedlichsten Gegenständen und plötzlich, in einem Moment kann es sein, dass dieses unglaubliche Gefühl mich erhascht. In diesen Momenten empfinde ich mehr als in der schönsten Nacht mit einer Geliebten. Ich weiß nicht recht, ob ich die Gefühle meinem Geist oder Körper zurechnen soll, Tatsache ist aber, dass sie mit keiner weltlichen Sprache erfassbar sind. Ich bin an der Grenze der Möglichkeiten des Wortes angelangt. Was darüber hinausgeht, ersehne ich zu finden.

Zusammenfassung von Henrik Herrnbrodt

Sehr geehrter Herr Francis Bacon,

ich möchte hiermit auf ihren Brief antworten. Ich möchte mich entschuldigen für meinen Verzicht auf neue Werke, ich will ihn aber auch begründen.

Mit neunzehn schrieb ich noch Werke die weitgehende Anerkennung fanden, doch bereits mit dreiundzwanzig konnte ich trotz guter Ansätze nicht mehr schreiben.

Doch woran liegt das? In meinen Augen ist die Rhetorik überschätzt. Das Innere, die Bedeutung dessen, was ich ausdrücken will, steht für mich im Vordergrund. Doch scheint mir dies nunmehr unmöglich, da die Worte nicht die Bedeutung der Dinge als Ganzes erfassen können. Selbst meine eigenen Werke sind unter diesem Gesichtspunkt zu kritisieren. Nur, wenn die Aussage der Dinge und die literarische Wiedergabe dieser identisch ist, kann ich wieder schreiben.

Ich werde deshalb in meinem Leben wohl keine Werke in Französisch, Latein oder Spanisch schreiben, alle diese Sprachen können meinem Anspruch nicht gerecht werden.

Ich hoffe, sie verstehen mich, beachten sie auch, dass nicht nur die Sprache meiner Schrift, sondern auch die Sprache meines Denkens mein Erleben nicht in Worte und klare Gedanken fassen kann. So kann ich weder zusammenhängend schreiben noch denken. Ich fühle eine innere Leere, eine Geistlosigkeit, die mein Dasein erfasst. Nur wenige Momente gibt es, in denen ich die Dinge fühle, sie in einer anderen Sprache erfasse. Selten sind diese Momente, doch unterbrechen sie meine Gedankenlosigkeit und lassen mich erkennen, dass allein diese Sprache es sein kann, mit der ich die Dinge greifen kann.

Am Ende dieses Briefes, der wohl mein letzter an Sie sein wird, möchte ich ihnen noch mal meine Dankbarkeit für all das, was sie für mich getan haben, ausdrücken. Sie werden mir auf ewig in guter Erinnerung bleiben.

Mit freundlichen Grüßen

Lord Chandos