Literarische (textgebundene) Erörterung

Die textgebundene (literarische)Erörterung

Erörtern heißt sich schriftlich mit einem Sachthema (Sacherörterung) oder Problem (Problemerörterung) in klarer gedanklicher Struktur sowie in überzeugen der und einsichtiger Weise auseinander zu setzen und eine sachgerechte Lösung zu suchen.

Eine wichtige Form argumentativen Schreibens ist die literarische Erörterung. Hier sind Gegenstände und Probleme aus der Literatur, aus Literaturtheorie und Sprachbetrachtung zu bearbeiten. Grundlage kann ein vorgegebener Text oder Textauszug sein (Erörterung anhand eines Textes). Hier gilt es, sich mit der spezifischen Wirklichkeit der literarischen Kunst zu beschäftigen. Die Leistung besteht darin, ihre Eigengesetzlichkeit zu erkennen, diese in umfassendere Zusammenhänge zu stellen (s. B. zur Biografie des Autors, die epochalen Bestimmungsfaktoren, wie sozialen, wirtschaftlichen und politischer Gegebenheiten, weltanschaulich-philosophischen Strömungen und ästhetischpoetologischen Vorstellungen) und sich kritisch mit den dargestellten Werten und Lebensmodellen auseinander zu setzen.

Die Stoffgrundlage zeigt die Verwandtschaft der literarischen Erörterung mit der Interpretation. Während die literarische Erörterung stärker auf die Auseinandersetzung mit einem thematischen Teilbereich zielt, tendiert die Interpretation mehr zu einer stimmigen Gesamtdeutung des Textes.

Arbeitsschritte

Das methodische Vorgehen verläuft bei allen Erörterungen in der gleichen Weise:

Erfassen der Aufgabenstellung

Es gibt verschiedene Formen der Aufgabenstellung: den Auftrag, die Sachfrage, die Entscheidungsfrage und die Wertfrage.

Bei Erörterungen mit Textvorlage verlangt der Auftrag eine vorausgehende Auseinandersetzung mit dem Textinhalt. Folgende Operatoren kennzeichnen die Aufgabenstellung:

  • Beispiele:

    • "...Untersuchen Sie den Text im Hinblick auf (...)"

    • Erläutern Sie die im Text vorkommenden Begriffe aus der Sicht des Verfassers (...) und erörtern Sie anschließend (...)"

    • „Erörtern Sie die Aussagen (...) und nehmen Sie Stellung zu den aufgezeigten Problemen!"

Erschließen des Themas

Das Erfassen des Themas lässt oft bereits die Richtung erkennen, in die die Gliederung zielen wird. So kann der Arbeitsauftrag Ansatzpunkte zu einer Strukturierung enthalten (z. B. inhaltliche und formale Gesichtspunkte; Bereiche, die zur Erhellung des Themas notwendig sind; Pro und Kontra). Bei literarischen Themen ist genaue Textkenntnis Voraussetzung. Hier bieten verdichtete Kernstellen im Handlungs- und Geschehensablauf Ansätze für eine Strukturierung.

Schließt sich die Erörterung an einen nichtpoetischen Text an, so zielt die Aufgahenstellung oft auf eine Auseinandersetzung mit den im Text vertretenen Thesen und Meinungen. Damit ist das methodische Vorgehen vorgegeben:

    1. Feststellen von Thesen und Argumenten,

    2. Überprüfen ihrer thematischen Relevanz, Folgerichtigkeit, Stichhaltigkeit und kommunikativen Wirkung.

    3. eigene Stellungnahme mit argumentativer Absicherung.

Stoffsammlung

Am Ende der Erschließung steht die Formulierung der These(n) fest. Auch eine Grobgliederung ist häufig bereits erkennbar. Die folgende Stoffsammhng und -Ordnung erfolgt in drei Schritten:

1. Schritt:

Sachliche Fakten, Argumente, mögliche Gegenargumente. Zitate und Beispiele werden gesammelt. Es ist zweckmäßig, diese in fortlaufender Nunmmerierung untereinander zu schreiben.

2. Schritt:

Es erfolgt eine Zusammenfassung nach sachlichen Entsprechungen. Dabei ist es sinnvoll, auf ein in etwa ausgewogenes Verhältnis der einzelnen Sachgruppen zu achten.

3. Schritt:

Die zusammengestellten Stichpunkte erhalten Oberpunkte. Diese werden anschließend steigernd gegliedert. Dabei helfen folgende Fragen:

    • Welches Ziel soll angestrebt werden'?

    • Wie kann der Leser unter Spannung gehalten werden?

    • Entwickelt sich der Gedankengang in logischer Folge?

    • Sind bei der Segmentierung des Weges bereits bekannte Steigerungsmöglichkeiten anwendbar (vom Allgemeinen zum Besonderen, vom Einfachen zum Schwierigen, vorn Bekannten zum Unbekannten, vom Äußeren zum Inneren)?

Lassen sich Stichpunktc nicht einordnen, so kann dies an ihrer Themenfremdheit oder der Enge der Oberpunkte liegen.

Gliederung

Aus den geordneten Stoffteilen ergibt sich die Gliederung. Sie bietet einen ersten übersichtlichen Einblick in die Bewältigung des Themas und erleichtert später dem Leser die Orientierung. Zwei Gliederungssysteme sind möglich:

Eine textgebundene Erörterung gliedert sich meistens in zwei Hauptteile, die sich aus der Themenstellung ergeben.

Beispiele:

- „Analysieren Sie den folgenden Text und erörtern Sie anschließend unter Berücksichtigung Ihrer Ergebnisse die These des Verfassers (...)":

„Analysieren Sie den folgenden Text unter besonderer Berücksichtigung der argumentativen Gestaltung. Erörtern Sie anschließend, inwieweit die These (...) heute noch Geltung besitzt!"

Gliederung:

A Überblicksinformation; Vorgehensweise

B Analyse und Erörterung

    1. Analyse des Textes

    2. Inhalt und Aufbau (Gedankengang. Argumentationsgang)

    3. Argumentationsweise [sachliche Darstellung; keine Wertungen!] .

    4. Sprache und Stil

    5. Intention des Verfassers

II. Erörterung der These(...)

    1. Formulieren der These

    2. Überprüfen der Argumentation auf Vollständigkeit, Sachangemessenheit, Übersichtlichkeit, Logik. Anschaulichkeit, Nachvollziehbarkeit.

    3. Beurteilung (entweder Bestätigung der These des Verfassers und Absicherung der Argumentation durch eigene Beweggründe oder Ablehnung mit Formulieren einer Gegenthese, Gegenargumenten und Folgerungen)

C: Zusammenfassung

Bei eindeutiger Ablehnung kann II. auch dialektisch strukturiert werden in:

    • Die Meinung des Verfassers,

    • Gegenmeinung,

    • Beurteilung (Synthese),

    • Folgerung.

Manche Arbeitsaufträge binden die Erörterung an die in der Analyse gefundenen Jrgcbnisse, d. h. die Textuntersuchung wird besonders die Bereiche in den Mitelpunkt stellen, die als Grundlage der Erörterung dienen.

Ausarbeitung

Die Einleitung

Die Einleitung verfolgt zwei Ziele: zum einen die Hinführung auf das Thema, dessen Bearbeitung dem Hauptteil vorbehalten bleibt, und zum anderen die Motivation des Lesers. Dies lässt sich mit verschiedenen Möglichkeiten erreichen.

Geeignet erscheinen:

    • der Hinweis auf persönliche Erfahrungen,

    • Herstellen aktueller Bezüge.

    • das Ausgehen vom Gegenteil,

    • die Darstellung und Rechtfertigung des methodischen Vorgehens (Falls nicht in der Aufgabenstellung bereits vorgegeben) und

    • bei literarischen Themen die Begründung des ausgewählten Materials oder

    • die Einordnung von Texten, Stoffen. Themen. Motiven in größere Zusammenhänge.

Der Hauptteil; Hinweise zur Argumentation

Bei einer Argumentation gilt es folgende Aspekte zu beachten:

Die These

Eine These ist eine strittige Behauptung. Sie bedarf einer Begründung, d. h. sie kann erst akzeptiert werden, wenn sie von einer Reihe folgerichtiger Aussagen gestützt wird. Solche Aussagen nennt man Argumente.

Die Argumente

(eine klassifizierung findet sich unter "Argumentation") Argumente sind wichtigster Bestandteil der Logik als der Lehre vom folgerichtigen und überprüfbaren Argumentieren. Ein Argument besteht aus einer Reihe miteinander verbundener Aussagen. Diese gliedern sich in Prämissen, die Tatbestände nennen und Gründe für die Schlussfolgerung (Konklusion) angeben (eine Schlussform der klassischen Logik ist der Syllogismus, bei dem die Schlussfolgerung auf zwei Prämissen folgt). Ziel ist die Bestätigung der These. Um den theoretisch-abstrakten Ausführungen eine größere Wirkung zu verleihen, müssen konkretisierende Beispiele angeboten werden.

Verstärkung der Argumente

Die Beweiskraft der Argumente wird häufig verstärkt mit

    • Fakten, Statistiken und Zahlen,

    • dem Hinweis auf Traditionen,

    • festen Normen (z. B. Grundrechten),

    • Berufung auf Autoritäten (Fachleute; Sekundärliteratur) und - Analogieschlüssen.

Bei Erörterungen, die sich an Textvorlagen anschließen (nichtpoetische Texte, poetische Texte), liefern Beleghinweise auf Kernstellen und Zitate die notwendigen Stützen für die Argumentation.

Hinweise zur sprachlichen Gestaltung

Erörterungen sollen nicht nur durch gedankliche Logik, sondern auch durch die sprachliche Darbietung überzeugen. Deshalb ist auf eine klare, überschaubare syntaktische Struktur zu achten, hei der dem Hauptsatz Priorität gebührt. Neben dem Bemühen um exakte Begrifflichkeit fördert ein anschaulicher Stil die Verständlichkeit. Verschiedene sprachliche Wendungen können die Argumentation präzisieren (vor einem stereotypen Einsatz ist jedoch zu warnen):

    • Begründungen: „Die Erfahrung beweist, dass ... '; „Es ist allgemein bekannt, dass ..."; „Die Begründung liefert N.N...."; „Dies wird durch Untersuchungen bestätigt ...";

    • Einschränkungen; Entgegensetzung: „Zwar (sicherlich, gewiss) besitzt diese Behauptung Gültigkeit, aber (gleichwohl, dennoch, trotzdem) ...`; „Diesen Vorstellungen kann man ... entgegenhalten"; „Allerdings gilt es zu bedenken, dass ..."; „Eine Einschränkung erscheint allerdings angebracht:..."; „Freilich muss man einräumen, dass ...` ; „Man darf aber nicht vergessen ..."; „Dagegen spricht ..."

    • Folgerungen: „Daraus ergibt sich, dass ... , „Damit wird offenkundig,

    • dass ..."; „Folglich (demnach, daher, deshalb, infolgedessen) ergibt sich ...".

    • Weiterführung: „Außerdem (ferner, des Weiteren, zusätzlich, schließlich) ist

    • zu erwähnen, dass ...

Der Schluss

  • Der Schlussteil kann

    • eine Zusammenfassung bieten,

    • auf den Einleitungsgedanken zurückgreifen und so das Thema abrunden,

    • einen Ausblick auf weitere Perspektiven eröffnen (z. B. bei Problemen) und

    • der Ort für eine persönliche Aussage sein.